Kapitel 3
Die ganze Nacht über hatte Eschenblatt kein Auge zugetan. Die neue Prophezeiung hing schwer in der Luft über seinem Kopf. Er hatte hin und her studiert was er tun sollte. War jemals eine Katze einfach gedrängt worden, Heilerkatze zu werden? Schliesslich musste der Clan immer einen Heiler haben. Aber vielleicht war es ja gar nicht nötig und eines der 4 Halbwaisen Jungen würde die perfekte Heilerkatze abgeben. Er wartete bis die ersten Sonnenstrahlen in seinen Bau fielen und beschloss dann, erst einmal zu Wolfsschatten zu gehen. Wenn er es geschickt anstellte, konnte er ja vielleicht sowohl dem Vater als auch den 4 Jungen gleichzeitig helfen.
Der alte Heiler stand auf und wollte gerade den Bau verlassen, als ihm ein stechender Schmerz in die rechte Hüfte stach, sodass er sich wieder setzen musste. Er kniff die Augen zusammen. Seine Gelenke wollten einfach nicht mehr richtig mitmachen. Die Hüfte tat ihm schon seit vielen Monden weh, und egal welche Kräuter er dagegen nahm, es schien eher schlimmer als besser zu werden. Er hoffte nur, dass der Sternenclan ihn noch nicht allzu bald zu sich holen würde, er brauchte einfach mehr Zeit. Als der Schmerz etwas abgeklungen war, machte er sich auf um den dunklen Krieger zu suchen, der meistens schon recht früh auf war. Eine Angewohnheit die er sich angeeignet hatte als er mit seiner Gefährtin zusammen gekommen war, da sie immer sehr früh wach gewesen war.
Eschenblatt entdeckte Wolfsschatten beim Frischbeutehaufen, jedoch ass er nicht sonders starrte nur leer auf eine vor seinen Pfoten liegende Taube.“ Guten Morgen Wolfsschatten.“ , begrüsste der Heiler ihn freundlich. Der angesprochene Krieger blickte mit schmerztrunkenen Augen auf. „Sie hat Tauben geliebt...Es war ihre Lieblingsbeute, weisst du?“ Seine Stimme klang matt und erschöpft. Eschenblatt hatte Mitleid mit dem Kater. Er hatte so viel durchmachen müssen. „Ja, ich weiss. Du solltest eine essen, ihr zuliebe. Ich bin aber aus einem Grund zu dir gekommen. Ich weiss dass du deine geliebte Gefährtin verloren hast, und das schwer für dich ist. Aber du musst auch an deine Jungen denken. Sie haben ihre Mutter verloren, lass sie nicht auch noch ihren Vater verlieren, in dem er zu einem Fremden wird. Der Clan braucht diese Jungen dringend-ich brauche deine Jungen dringend. „
Wolfschschattens Augen klärten sich etwas.“ Ich weiss du hast recht, aber es schmerzt mich ihre Gegenwart bei ihr zu wissen. Sie erinnern mich so sehr an sie. Vor allem Natternjunges, er sieht ihr so ähnlich mit seinem roten Fell. Es ist einfach nicht gerecht, dass sie so früh von uns gehen musste und mich nun hier allein zurück lässt.“ Eschenblatt nickte verständnisvoll. „Ich weiss, aber wir können es nicht ändern. Der Sternenclan ist auch nicht allmächtig. Aber ich brauche deine Hilfe Wolfsschatten. Du musst dich mit deinen Jungen befassen, dem Clan zuliebe. Schau, ich werde alt. Ich brauche einen geeigneten Schüler um meine Nachfolge anzutreten und das möglichst bald. Flammenjunges und Regenjunges besitzen beide nicht die Veranlagungen für ein Heilerleben. Eines deiner Jungen muss mein Nachfolger werden, und ich möchte, dass du mir dabei hilfst, herauszufinden, welches es sein wird.“
Wolfsschatten blickte den Heiler geschockt an.“Entschuldige Eschenblatt, mir war gar nicht klar wie wichtig es ist, dass du bald einen Schüler ausbilden kannst. Ich werde mir Mühe geben. Der Clan kann schliesslich nicht ohne Heiler sein. Was muss ich tun?“
Ein plötzlicher Tumult und gellende Schreie durchbrachen die dünne Morgenluft. Ein starker Angstgeruch überflutete Eschenblatts Nase und er blickte sofort panisch um sich. Im Lager selber war alles ruhig, dich direkt davor schien ein Kampf vor sich zu gehen.
Gerade stand er auf um nachsehen zu gehen was vor dem Lagereingang los war, als Braunstern blitzschnell an ihm vorbei sauste und durch die Blätter verschwand. Das Lager war schlagartig Wach. Aus allen Ecken kamen Katzen und blickten sich verwirrt, erschrocken oder kampfbereit an.
Die Kampfgeräusche verklangen noch bevor Eschenblatt sich einen weg zum Eingang bahnen konnte, und Braunstern kam herein. Er trug ein kleines rotes Bündel im Maul. Er hatte einige Schrammen an der Schulter, aber sonst schien der frisch ernannte Anführer unversehrt zu sein.
Hinter ihm schlich eine dickliche hellrot gestreifte Kätzin geduckt und mit angelegten Ohren in s Lager, auch sie trug etwas im Maul. Eschenblatt sah sofort, dass es sich um ein Hauskätzchen handeln musste, als er ein abgehaktes Klingeln vernahm. Verwundert schaute er dabei zu wie ein schwarz weiss gescheckter Kater ebenfalls ins Lager kam, Er humpelte stark, sodass sein Glöckchen welches er um den Hals trug heftig bei jedem Blick klingelte. Eschenblatts Fell stellte sich sofort auf. Ein starker Blutgeruch überreizte seine Nase. Der Kater war ernsthaft verletzt. Eschenblatt drängte sich durch die Katzen zu dem Fremden vor, welcher vor seinen Augen zusammenbrach. Unter seinem linken Vorderbein bildete sich sofort eine Blutlache.
Eschenblatt wartete nicht auf eine Reaktion des Anführers, er handelte sofort und ohne nachzudenken. „Glühsplitter und Fliegenpelz, tragt ihn sofort in den Heilerbau! Amselklang, hol mir so viel frisches Wasser wie du tragen kannst!“
Die drei Krieger machten ohne zu zögern was der Heiler von ihnen verlangt hatte, und Eschenblatt lief so schnell es mit seinen alten Knochen eben ging in den Heilerbau um Kräuter bereit zu machen. Aus dem Augenwinkel konnte er gerade noch ausmachen wie Braunstern mit samt Bündel, Hauskätzchen und Borkenkralle in den Anführerbau verschwand.
Es war lange nach Sonnenhoch, als der Heiler erschöpft mit Glühsplitter an seiner Seite aus dem Bau trat. Sie hatten getan was sie konnten, doch er hatte dem Kater das verletzte Bein über dem Kniegelenk abnehmen müssen. Es war völlig zerfetzt gewesen und er wäre bestimmt gestorben, hätte Eschenblatt nicht so gehandelt. Noch immer hatte er den überwältigenden Blutgeruch im Maul und in der Nase. Er dankte dem Krieger, der ihm geholfen hatte, den fremden Kater festzuhalten für seine Hilfe und entliess ihn aus seinem Dienst. Nun konnte nur der Sternenclan entscheiden, ob der Kater den Blutverlust überleben würde.
Eine Bewegung am andern Ende des Lagers zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Braunstern kam aus dem Anführerbau. Es wurde mit einem Schlag still im Lager. Alle Blicke waren auf ihren Anführer gerichtet, welcher zum Flachfelsen lief. Er würde wohl endlich erklären was hier vor sich ging. Hinter ihm lief das Hauskätzchen, nun jedoch nicht mehr ganz so ängstlich. Borkenkralle machte den Schluss und scheuchte 2 Junge vor sich her.
„Ich bitte alle Katzen , die alt genug sind selber Beute zu fangen, sich zu einer Clanversammlung einzufinden. „ Braunsterns Stimme hallte im ganzen Lager wieder. Aber eigentlich hätte es das gar nicht gebraucht. Der gesamte Dornenclan hatte sich bereits eingefunden und beäugte die Neuankömmlinge mit gemischten Blicken. Braunsterns Stimme erhob sich wieder.
„Katzen des Dornenclans. Dies ist Jelly. Sie kommt zusammen mit ihrem Gefährten Napoleon, welcher momentan schwer verletzt im Heilerbau liegt von einem fernen Ort jenseits unseres Waldes. Sie wurden bei der Durchreise von einem Hund verfolgt, der sie bis vor unser Lager gejagt hat. Aber Jelly soll am besten selber erzählen.“ Der Anführer trat zurück um der Kätzin etwas Platz zu machen.
„Äh, ja. Napoleon und ich mussten unser Zuhause verlassen. Unsere Hausmenschen haben uns einen Hund ins Haus gebracht vor einiger Zeit. Der Hund mochte Napoleon nie und er musste sich andauernd vor ihm verstecken. Und dann habe ich meine Jungen gekriegt vor etwa 4 Monaten. Der Hund fand das nicht toll und unsere Hausmenschen mussten mich und die Jungen in ein anderes Zimmer sperren, damit der Hund nicht an uns ran kommt. Etwa vor einem Monat, haben sie aber die Türe nicht richtig zu geschlossen, und der Hund hat mich und meine Jungen angegriffen! Ich konnte nichts tun, ich hab versucht zu kämpfen und Napoleon ist auch gekommen, aber der Hund war stärker. Er hat eines unserer Jungen erwischt-meine arme Chili...Aber wir konnten die anderen jungen packen und sind dann davon gerannt. Zuerst haben wir uns in einer Scheune nicht weit von unserem Zuhause versteckt, etwas für einen halben Monat. Dort gab es sehr viele Mäuse und Napoleon hat gut für mich gesorgt. Doch dann hat uns der Hund gefunden . Wir sind viele Tage vor ihm geflüchtet, bis wir in diesen Wald kamen. Der Hund hat uns kurz vor eurem Lager eingeholt, und Napoleon hat sehr tapfer versucht mich und die Jungen zu beschützen. Zum Glück ist Braunstern dann gekommen, sonst hätten wir es wohl nicht geschafft.“ die hellrote Kätzin beendete ihre Geschichte und Braunstern trat wieder vor. „Wir werden Jelly und Napoleon als Gäste bei uns behalten. Ebenso natürlich die beiden Jungen.“ Er deutete auf zwei schon etwas ältere Jungen, die sich fest an Jelly schmiegten. Das eine war so rot wie die Mutter und das andere weiss mit einem grossen schwarzen Fleck über dem rechten Auge und Ohr. „Das rote ist heisst Minou und das weisse heisst Duke. Sie werden mit ihrer Mutter zusammen erst einmal in die Kinderstube ziehen. Ihnen wurde grosses Unrecht getan von den Zweibeinern und wir werden unser möglichstes geben, dass sie sich hier erst einmal wohl fühlen und Napoleon genesen kann.“ Eschenblatt sah zu wie die Versammlung sich leicht zerstreute. Einzelne Katzen flüsterten und wisperten in Grüppchen. Er trat an die kleine Familie heran. Nachdenklich bedachte er die Katzen. Zwei davon waren rot und nach dazu weiblich. Es war ihnen Ungerechtigkeit widerfahren. Konnte es sein dass Jelly oder Minou ein teil der Prophezeiung waren?
Er wusste es nicht. Noch nicht. Aber er würde sie im Auge behalten. Erst einmal zeigte er den dreien aber ihr neues Zuhause.Bestimmt freute sich Staubglanz über ein wenig Gesellschaft. Als er Jelly die Kinderstube gezeigt hatte, zögerte er einen Augenblick. Sei waren einen halben Mond lang auf der Flucht gewesen, und doch war die Kätzin recht pummelig. Nicht wirklich dick, aber für eine so weite Reise, als Hauskätzchen...Die schien ihm sehr ungewöhnlich. Konnte es sein, dass es da etwas gab, was sie ihnen verschwieg?
Eschenblatt verabschiedete sich und zog sich in den Heilerbau zurück, wo er zuerst nach Napoleon sah. Dieser schlief tief und fest, und das war auch gut so. Er hatte mehr Chancen zu überleben, wenn er sich ausruhte. Eschenblatt liess seine Gedanken schweifen. Vielleicht konnte Napoleon ihm mehr sagen wenn er aufwachte? Er müsste aber zuerst mit ihm sprechen, noch bevor der Kater herausfinden konnte, was Jelly dem Clan alles mitgeteilt hatte.Vielleicht sollte er sich aber eher auf Minou konzentrieren? Sie war noch ein Junges, aber alt genug um alles mitzukriegen was auf der Flucht geschehen war. Junge waren meist recht leicht zu beeinflussen, vielleicht konnte er von ihr mehr erfahren. Oder er sprach Jelly einfach darauf an in einem guten Moment. Schliesslich konnte sie ja nicht weg rennen, solange ihr Gefährte schwer verletzt im Heilerbau lag, zumindest wenn ihr etwas an ihm lag. Er musste gut abwägen, welches der richtige Weg war um der Sache auf den Grund zu gehen.